> Nguyen Dinh Thi, 1924 - 2003.

Geboren wurde er in Phong Saly nahe der ehemaligen Königsstadt Luang Prabang (Laos). Sein Vater war dort im Dienste der Kolonialmacht tätig (bei der Post). Als Sohn aus bürgerlichem Hause besuchte er, nach der Versetzung des Vaters, in Hanoi das renommierte Lycée du protectorat. Dort hatte er bald Kontakt mit der antikolonialistischen Bewegung unter den Intellektuellen, wurde mehrfach verhaftet, weil er Texte für patriotische Lieder schrieb. Schon damals hatte er die Absicht, Schriftsteller zu werden. In der Untergrund-Befreiungsarmee war er seit 1945 Kommissar für Kultur, quittierte den Dienst nach Dien Bien Phu (1954). Er lebte fortan als freier Schriftsteller, schrieb Artikel, Theaterstücke, Romane und vor allem Gedichte. Obwohl er oft angegriffen wurde (Skandale um einige Theaterstücke, Kritik an ihm wegen "Ichbezogenheit" seiner Gedichte. 1974 ging er wieder in den Untergrund im Süden und kehrte erst nach dem Sieg 1975 nach Hanoi zurück. Obwohl er zu der Zeit schon krank war, wurde er nach der Erneuerungspolitik 1986 zu einem anerkannten nationalen Dichter und war lange Zeit Vorsitzender des Schriftstellerverbandes. Er trat jedoch zeitlebens für künstlerische Unabhängigkeit ein. Bei den einfachen Leuten war er populär, weil sie seine Lieder kannten.

Die letzte Nacht des Jahres (Auszug)

Die Muse geht spazieren
Ein alles zerstiebender Wind
Ich möchte zuhören
Ich möchte Fragen stellen
Meine Augen schweifen umher
Unendlicher Sternenhimmel
Er reicht bis ans Ufer des Flusses
Jemand lacht und redet, wer weiß
Unendliche Nacht
Die Muse geht spazieren
Breitet schon mal ihre Flügel aus

2003

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