Sturm über der Bucht von San Francisco

Eine Erzählung von Tran Thu Hang

E ines Tages um die Mittagszeit rief Onkel Lam an - in den Vereinigten Staaten mußte es Mitternacht sein. "Hallo, hier spricht Lam, wer ist dort, bist du das, Tu?" "Hm," antwortete ich, unsicher, ob er über die Krankheit meines Vaters unterrichtet worden war. Normalerweise pflegte er nur ein oder zweimal im Jahr bei uns zu Hause anzurufen, zum Tet-Fest oder zum Todestag meiner Großeltern.

"Bist du die kleine Tu? Bist du verheiratet?" Wieder sagte ich "Hm". In bezug auf meine Heirat hatte er wohl immer meinen Eltern zur Seite gestanden. Er hatte sein besorgtes Interesse bekundet, als seine Nichten und Neffen nach und nach heirateten und Kinder bekamen, als ob wir ohne ihn nicht zurecht kommen könnten.

"Letztes Neujahr sagte mir dein Vater, daß du bis zum Jahresende verheiratet sein würdest und bat mich, erst dann nach Hause zu kommen. Außerdem war dein Vater unmittelbar vor meiner geplanten Abreise plötzlich krank geworden." Seine Stimme war klar und deutlich zu vernehmen. "Ich sagte, ich würde kommen, aber er hat abgeraten … Du jedenfalls hast mir nichts über die Krankheit deines Vaters mitgeteilt…". Sein strenger Tonfall schwankte zwischen Bedauern und Tadel. Da wurde mir klar: Mein Vater hatte Onkel Lam etwas über meine angeblichen Heiratspläne erzählt, um ihm eine teure und komplizierte Reise zu ersparen.

Von den zehn Kindern meines Vaters bin ich als einzige noch ledig. Mir gegenüber hatten meine Eltern seit geraumer Zeit das Thema Heirat nicht mehr erwähnt. Ich ging auf die 40 zu. Doch Onkel Lam hatte ihnen geglaubt, als sie behauptet hatten, ich würde heiraten. Das war gut: In diesem einen Jahr hatte Onkel Lam genug sparen können, um jetzt herzukommen und meinen Vater zu besuchen.

In Erwartung dieses bevorstehenden Besuchs war mein Vater besser beieinander als sonst. Er war unheilbar an Krebs erkrankt, was die ganze Familie lange Zeit vor Onkel Lam geheim gehalten hatte. Nun zeigte sein Gesicht trotz schrecklicher Schmerzen wieder etwas Farbe. "Ich denke, ich kann auf Onkel Lam warten. In zwei Wochen wird er da sein."

Danach war mein Vater einige Tage lang vollkommen bei Bewußtsein. Im Bett liegend, sprach er wie zu sich selbst: "Lam hat einen Enkel, ein ganz aufgewecktes Kind, das Kind seines Sohnes Long. Und dessen Liebesgeschichte ist auch sehr interessant. Weißt du, Lam hatte für Long einen Ehevermittler eingeschaltet. Als er vor einigen Jahren Long mit nach Vietnam genommen hat, haben sich Long und das Mädchen zum ersten Mal getroffen, am Tan Son Nhat-Flughafen. Long hielt ein Schild hoch mit der Aufschrift: ‚Duyen'. Als er das Mädchen in einem blauen ao dai verlegen dort stehen sah, trat er auf sie zu und fragte: ‚Sind Sie Duyen? Alles in Ordnung?' Ja, und bald darauf waren sie verheiratet. … In Erinnerung daran haben deine Mutter und ich …"

Mein Vater murmelte noch etwas mit einem schwachen Lächeln, während er aus dem Augenwinkel nach meiner Reaktion Ausschau zu halten schien. Ich tat so, als merkte ich nichts, und streichelte sanft seinen Bart. Ich wußte, daß er meine Zärtlichkeiten nie zurückweisen würde.

Die ganze Familie war zutiefst erschrocken darüber, daß mein Vater, der immer mitteilsam gewesen war, über zehn Jahre lang an starken Kopfschmerzen gelitten hatte, ohne daß es von jemandem bemerkt worden wäre.

Nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, lag mein Vater wieder still da. Er hatte seine Kinder angehalten, das Haus zu renovieren und den Garten neu anzulegen. Mich hatte er gebeten, frische, ordentliche Kleider für die Enkelkinder herzurichten, damit Lam bei seiner Rückkehr nicht den Eindruck bekäme, wir lebten immer noch in Armut.

Da meine Großeltern früh gestorben waren, blieb mein Vater ohne Geschwister und wurde von Lams Eltern aufgezogen. So lebten mein Vater und Onkel Lam von Kindheit an zusammen. Nach Aussage meines Vaters war Onkel Lam auch heute noch, in den USA, sehr arm, aber in der Vorstellung der Sippschaft und der Dorfbewohner galt er als reicher Auslandsvietnamese, als viet kieu.

In den alten Tagen, während Onkel Lam dem Alten Regime als Nachschub-Offizier diente, übernahm mein Vater seine Pflichten als Gärtner. Nach der Niederlage des Saigoner Regimes halfen meine Eltern Onkel Lam, sein Leben nach der Entlassung aus dem Umerziehungslager wieder aufzubauen. Dennoch verließ er dann Vietnam und ging in fortgeschrittenem Alter in die USA, ohne jegliche Berufsaussichten. Er bestritt seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten wie Putzjobs in Schulen oder Kirchen.

Ich stotterte ein bißchen herum bei meiner Frage, warum Onkel Lam sich entschieden hatte, in ein fremdes Land zu gehen, aber mein Vater winkte ab: "Es war nicht seine Schuld. Er tat es seiner Frau zuliebe… "

Wenn ich mich recht erinnere, hatte seine Frau während seiner Zeit im Umerziehungslager eine Affäre mit einem Geschäftspartner, der sie am Ende hinterging und all ihr Geld stahl. Ich war damals sehr klein, aber ich weiß noch, wie Onkel Lam damals nach Hause kam. Als er seine Frau und seine Kinder in Armut und Not vorfand, machte er seiner Frau keine Vorwürfe. Im Gegenteil, er sagte, es tue ihm leid, und dann arbeitete er wie mein Vater im Garten und in der Landwirtschaft.

Je näher Onkel Lams Ankunft rückte, desto besser sah mein Vater aus. Er durfte sogar für einige Tage das Krankenhaus verlassen. Einen Tag vor der Landung des Flugzeug kam er nach Hause.

Onkel Lam wurde begleitet von seiner Frau, seiner Schwiegertochter sowie dem einjährigen Enkelsohn. Nach kurzem Aufenthalt reiste die Schwiegertochter weiter, um ihre Familie in der Provinz Ben Tre zu besuchen.

***

A m Neujahrstag war die ganze Familie glücklich versammelt. Alle waren nach Hause gekommen und hatten ihre Frauen, Männer und Kinder mitgebracht. Sie teilten Geschenke aus und unterhielten sich fröhlich, während die Kinder miteinander spielten, einander nachrannten und sich lärmend im Garten vergnügten.

Onkel Lam betrachtete voller Anteilnahme meinen Vater, der, ein Lächeln auf den Lippen, in einem breiten Sessel ruhte. Von Zeit zu Zeit half ich ihm, sich wieder bequemer zu lagern.

Am frühen Nachmittag war das Festmahl vorüber, und die Erwachsenen zogen sich, nachdem sie alles weggeräumt hatten, zu einem Nickerchen zurück. Die Kinder waren ohne großes Aufsehen verschwunden, vermutlich spielten sie in einem Laden unten an der Straße Online-Videospiele. Haus und Hof waren still und friedlich.

Plötzlich begann es zu regnen.

Ich richtete das Bett, damit auch Onkel Lam und seine Frau sich ausruhen konnten.

Onkel Lam rückte mit seinem Stuhl näher an meinen Vater heran, der nach Einnahme von Schmerzmitteln eingeschlafen war. Nach einer Weile gab er es auf, nahm sich einen anderen Stuhl und setzte sich nahe an die Tür und schaute in den Regen, nachdem ich das Fenster geschlossen hatte.

Als ich mit dem Aufräumen fertig war, winkte er mich zu sich, was mir unangenehm war, da wir uns nie besonders nahe gestanden hatten. Während jener schwierigen Jahre hatte ich ihn nicht unterstützen können, und nun lebte er in den Vereinigten Staaten. In seiner unmittelbaren Nähe fühlte ich mich unbehaglich.

"Bitte komm her, damit wir uns ein bißchen unterhalten können. Du arbeitest so fleißig in diesem Haushalt. Könntest du das für eine Weile unterbrechen?" "Ja." "Zu dieser Reise sind wir sehr hastig aufgebrochen, so daß uns keine Zeit blieb, dir ein Hochzeitskleid zu kaufen, obwohl wir das vorhatten. Bitte sei nicht böse, wir werden das bald nachholen." "Ach nein, Onkel. Es ist unwahrscheinlich, daß ich demnächst heirate, du brauchst dir darüber keine Sorgen zu machen. Es ist gut, daß du kein Kleid gekauft hast." "Wirklich?", seine Stimme verstummte fast. "Naja, dein Vater ist schwer krank, da sollten wir wohl besser warten." "Ja."

Das alles äußerte er zu meiner Verwunderung mit unerwarteter Gleichgültigkeit. Er schaute immer noch in den Regen. Verstohlen betrachtete ich ihn genauer. Er wirkte jünger als bei seinem letzten Besuch vor fünf Jahren, als er wie auf Bärenfüßen unsicher herumgetapst war. Dieses Mal kam er mir sehr viel kräftiger vor, sehr lebhaft für seine siebzig Jahre.

Mein Vater dagegen sah nach lediglich einem Monat in der Klinik sehr abgehärmt aus mit seinen eingefallenen Wangen und seinem nun schneeweißen Haar. Ich drehte mich zu ihm um. Er schlief noch, verzog aber den Mund, ein Zeichen, daß er große Schmerzen litt.

"Dieser Regen läßt mich an die alten Zeiten zurückdenken, als du noch sehr klein warst. Immer wenn es heftig regnete, gingen dein Vater und ich hinaus, um fürs Essen Kröten oder Feldmäuse zu fangen, denn damals hatten wir kein Geld für Fleisch. Einmal fingen wir eine riesengroße Schlange. Dein Vater war dabei sehr tapfer; ich war ein richtiger Angsthase. Jetzt liegt er da. Was für ein Drama!" Seine Augen waren voller Tränen.

Ich zupfte stumm an meinen Fingern wie in tiefen Gedanken. Aber ich konnte an nichts denken, schaute nur in den heftigen Regen draußen. Nichts war zu hören außer dem Regen.

"Fast hätte ich es nicht geschafft, zu kommen. Sie treten so barsch auf wegen des 11. September und wegen der Epidemien. Ich mußte sehr lange warten, bis ich ein Ticket bekam, weißt du. Ich hatte solche Angst, zu spät zu kommen. Jetzt, da ich deinen Vater gesehen habe, wie er mit sich im Reinen ist, bin ich auch froh. Ja, Gott ist mir gnädig. Es wäre schlimm, wenn ich mich gehen lassen und aufgeben würde."

Diese Person neben mir kam mir plötzlich nicht mehr wie ein weltgewandter viet kieu vor, sondern da saß einfach ein alter Vietnamese. Wie immer hielt ich mich zurück und sagte nichts dazu.

Er erzählte flüsternd noch viele Geschichten, aber ich konnte sie nur teilweise verstehen, weil ich nicht die ganze Zeit über aufmerksam zuhörte. Ich dachte, daß diese Art, Geschichten zu erzählen, sehr der Art meines Vaters glich. Ich könnte nicht genau sagen, warum oder inwiefern, aber so war es.

Er redete weiter wie in einem Monolog und erzählte Geschichten, die auch mein Vater immer wieder erzählt hatte. "Eines Tages saß ich gerade im Auto, als das Radio meldete, daß ein Wirbelwind vom Meer hereinzog. Viele Autos stoppten, und die Leute rannten in die Häuser rechts und links der Straße. Ich versuchte, weiter zu fahren, denn mein Haus war sehr nahe, aber plötzlich drängte der Tornado mein Auto mit voller Kraft rückwärts. Ein paar Fahrzeuge auf der Autobahn vor mir wurden umgeworfen, die Leute versuchten, herauszukommen. Weißt du, in den Staaten gibt es eine Menge Autobahnen, und die sind sehr breit und leer. Sie wurden in zehn Metern Höhe über den normalen Straßen auf Stelzen erbaut. Weißt du, die Windgeschwindigkeit damals lag zwischen 130 und 140 Stundenkilometern. Alle Werbetafeln am Straßenrand wurden weggefegt oder krachten auf die Straße. Bäume wurden entwurzelt. Nie zuvor hatte ich so etwas Schreckliches gesehen. So tat ich, was alle anderen auch taten: Ich betete, daß mich dieser heftige Sturm nicht wegwehen möge. Ich habe das deinem Vater nicht erzählt, aber dir möchte ich es sagen. Das könnte ich nicht, wenn ich damals von dieser Autobahn weggeweht worden wäre. Dann wäre ich jetzt nicht einmal hier."

Während er sprach und ich dieser in groben Umrissen erzählten Geschichte lauschte, wagte ich meinen Kopf nicht zu heben, aus Furcht, daß wir beide anfangen würden zu weinen.

Ich hätte von ihm gerne mehr erfahren über die Vereinigten Staaten, über das Land, in dem er lebte, aber ich hielt mich zurück, weil ich dachte, er würde mich für unaufmerksam halten und sich ärgern.

Plötzlich wachte mein Vater auf und weinte wie ein Kind. Meine Mutter sagte, so ginge es ständig, seit er ins Krankenhaus gekommen sei. So war ich darauf vorbereitet und empfand tiefes Mitgefühl. Ich stürzte zu ihm hin und umarmte ihn. Er preßte seine Handflächen fest auf seinen Kopf und weinte noch lauter. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Nichts konnte den Schmerz lindern, den Vater in so verzweifelter Weise äußerte. Meine Mutter eilte ebenfalls herbei und versuchte, ihm Erleichterung zu verschaffen, indem sie ihn wie ein Kind liebkoste. Onkel Lam verließ rasch den Raum.

Zwei Tage später kam Vater wieder ins Krankenhaus, und Onkel Lam besuchte andere Verwandte und Freunde. Unser Familienleben verlief wieder in gewohnten Bahnen. Das Haus war ganz still, seit meine Eltern sich nicht mehr hier aufhielten. Der Garten war ungepflegt, trockene Blätter raschelten am Boden verstreut. Ich legte meine Bücher und Hefte für das neue Schuljahr zurecht. Seit 15 Jahren arbeitete ich als Lehrerin.

***

U nerwartet kehrten mein Vater und Onkel Lam dann am gleichen Tag nach Hause zurück. Lams Frau war nicht dabei. Als ich Onkel Lam nach ihr fragte, sagte er, sie habe Zahnschmerzen und sei deshalb bei ihrem Cousin geblieben. Onkel Lam sah nicht so gesund aus wie bei seiner Ankunft aus den USA, und er wirkte auch nicht so lebhaft. Er war schweigsam. Er setzte sich nur für einen Augenblick, dann ging er, als ob er nur mit hereingekommen wäre, damit mein Vater nicht traurig sei.

Eines Nachts, nachdem Onkel Lam und alle anderen Besucher weggegangen waren, winkte mein Vater mich plötzlich zu sich. "Morgen fliegt Onkel Lam zurück in die Staaten. Würdest du ihn statt meiner zum Flughafen bringen?" "Morgen kehrt Onkel Lam in sein Heimatland zurück?", fragte ich völlig verblüfft. Mein Vater rang verzweifelt die Hände. "Er kehrt nicht in sein Heimatland zurück, er fliegt nur in die Vereinigten Staaten", erwiderte er heftig. "Ja, ich weiß, Vater!"

Er vergrub seinen Kopf tiefer im Kopfkissen, die Augen geschlossen. Offensichtlich quälte ihn der Schmerz.

"Morgen wird mich Onkel Lam ins Krankenhaus bringen und anschließend zum Flughafen fahren. Meine Tochter, in den alten Zeiten liebten wir uns sehr. Wir waren bitterarm. Wir hatten nur einen kleinen Topf mit Reis, vermischt mit Süßkartoffeln, und jeder bot dem anderen die größere Portion an. Er ging oft hinaus in die Felder, um Krabben oder Schnecken zu fangen, damit er eine gehaltvollere Mahlzeit für mich kochen konnte."

Mein Vater zitterte, Tränen rannen seine knochigen Wangen hinab. Ich kniete nieder und ergriff seine kraftlosen Arme. Er war wie ein kleiner Vogel, der nur noch ein paar zerzauste Federn hatte. "Vater, bitte reg dich nicht so auf." Aber er schüttelte den Kopf, wischte die Tränen weg und hob die Augen zur Lampe an der Wand. "Ich frage mich, ob er einen Job finden kann, der ihn durch den Winter bringt." Seine Stimme war heiser, obwohl er versuchte, schnell zu sprechen. "Drüben beschäftigen sie niemanden im Winter. Er hat all seine Ersparnisse hier ausgegeben." Plötzlich streichelte er meinen Kopf.

Sehr früh am nächsten Morgen kam ein Auto, um meinen Vater und Onkel Lam abzuholen. Lam trug meinen Vater ins Auto und setzte sich dann mit seiner Frau auf den Rücksitz.

Nachdem ich alles im Krankenhaus geregelt hatte, begleitete ich Onkel Lam und seine Frau zum Flughafen. Ihre Schwiegertochter erwartete uns dort.

Die Abreiseformalitäten waren sehr schnell erledigt, und sie mußten nur 15 Minuten warten, bis der Aufruf zum Einsteigen aus den Lautsprechern drang. Ich wünschte, es sei möglich, den Flug zu verschieben, denn wir hatten nicht viel miteinander gesprochen.

Onkel Lam stand auf und umarmte mich, dann nahm er seinen Koffer und ging langsam weg. Seine Frau und die Schwiegertochter umarmten mich ebenfalls. Ich küßte den Enkelsohn, der schlief wie ein Engel. "Der Flug Boeing 707 vom Flughafen Tan Son Nhat nach San Francisco startet um 14:15. Alle Passagiere bitte zum Flugsteig. Wir wünschen Ihnen eine gute Reise." Die Ansage wurde zum dritten Mal wiederholt, inmitten einer großen Menschenmenge.

***

Z wei Tage vor seinem letzten Atemzug nahm mein Vater all seine Kraft zusammen und rief mich zu sich. Ich neigte mein Ohr ganz nahe an seine Lippen. Er bat mich, Onkel Lam in seinem Hause aufzusuchen und ihn an den Todestag ihres Vaters am ersten Tag des nächsten Monats zu erinnern. Zu diesem Anlaß solle Onkel Lam Räucherstäbchen in seinem Namen abbrennen.

Vielleicht würden ja die Worte eines Sterbenden bis ins ferne Amerika zu hören sein, wer weiß?

Quelle: Tran Thu Hang, Wind in San Francisco Bay,in: Outlook März 2007 Hanoi,
Deutsch von Marianne Ngo nach der englischen Fassung von Manh Chuong

Tran Thu Hang, geboren 1975 in der Provinz Ha Nam, wuchs in Dong Nai auf und ging dort auch zur Schule, wo sie umgeben war von literaturbegeisterten Lehrern, allen voran ihr Vater. "Er war es, der mir die ersten literarischen Werke nahebrachte, und seinetwegen wurde die Literatur mein Lebensziel." Sie arbeitet bei der Gesellschaft für Kunst und Literatur von Dong Nai. Ihr erstes literarisches Werk, eine Kurzgeschichte über einen historischen Stoff, verfasste Hang als 15jährige. Auch später, als Erwachsene, schrieb sie Kurzgeschichten, u. a. Trang Khuyet (Mondsichel), Chang Tho Gom (Der Töpfer), Con Lu (Die Flut). Die Geschichte "Sturm über der Bucht von San Francisco" schrieb sie, nachdem sie darüber nachgedacht hatte, daß Menschen ein emotional sicheres und normales Leben führen wollen, gerade auch unter nicht alltäglichen Lebensumständen. "Diese beiden Faktoren scheinen unvereinbar zu sein, aber in Wirklichkeit sind sie es nicht: Je mehr die Menschen in Einsamkeit und Unsicherheit leben, desto entschlossener sind sie, die Hoffnung nicht aufzugeben." sagt Hang. "Sturm über der Bucht von San Francisco" ist biographisch motiviert. "Ich hoffte nur, daß eines Tages, wenn rauhe Winde mir ins Gesicht blasen, es jemanden geben würde, der meine innersten Gedanken anhören und meine geheimen Wünsche verstehen möge." (Alle Zitate: Outlook, März 2007)

Veröffentlicht in: Viet Nam Kurier 1/2007

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