Handelskrieg
Monsanto, TPP und die US-Veteranen

Desiree Hellegers

Die Autorin hat als Mitglied und Beauftragte der amerikanischen Organisation „Veterans for Piece“ (VFP) im April erneut Vietnam besucht. Aus ihrem Reisebericht veröffentlichen wir einige Passagen, die Agent Orange und TPP betreffen. Red.

Vorige Woche1, als sich in Washington Aktivisten zu einer Konferenz zusammenfanden mit dem Thema „Vietnam; die Macht des Protests“, war eine Delegation der VFP nach einer zweiwöchigen Tour durch Vietnam in Ho-Chi-Minh-Stadt angekommen. Aus ihrem Bericht haben wir die Passagen ausgewählt, die sich mit dem provozierenden Auftreten von Monsanto in Vietnam befassen.

Die VFP-Initiative soll sich, genau wie die Konferenz in Washington, DC am Wochenende, gegen eine Kampagne des Verteidigungsministeriums (DOD) richten, mit der Veranstaltungen, historistische Veröffentlichungen, Schulbücher produziert werden sollen zum Jubiläum des 50. Jahrestages des Vietnamkriegs2.

Vor dem Hintergrund der Bemühungen der Obama-Administration um eine schnelle Beendigung der TPP-Verhandlungen, erhoben sich bei der VFP-Tour beunruhigende Fragen, und zwar nicht nur über noch immer andauernde Folgen des Kriegs in Vietnam, sondern vor allem über die Einführung genetisch manipulierten Saatguts (GMO) auf den vietnamesischen Markt.

Der TPP-Text, der das umfangreichste Handelsvertragswerk in der Geschichte sein wird, weil er nämlich etwa 40 Prozent der weltweiten Wirtschaft betrifft, bleibt nach wie vor unter dem Schleier der Geheimhaltung. Aber einige Passagen, die durchgesickert sind, lassen erkennen, dass TPP die wachsende Ungleichheit der Einkommen sowohl in Vietnam als auch in den USA verschärfen wird. Und dass TPP nationale Gesetze und politische Initiativen außer Kraft setzen wird, die dem Schutz der Umwelt und der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens gelten. Monsanto, der größte einzelne Hersteller der 20 Mio. Gallonen von Agent Orange, die zwischen 1961 und 1971 in Vietnam versprüht wurden, ist jetzt wieder dabei, unvorstellbar viel Profit zu machen, wenn TPP erst verabschiedet ist.

Einer der vielen verstörenden Aspekte der 50-Jahre-Kampagne des Pentagons ist ihr von Orwell inspiriertes Hohelied auf den High-Tech-Krieg, der die vietnamesischen Dschungel, Wälder und Flüsse verseucht hat – in einem der größten, rücksichtslosesten wissenschaftlichen Experiment in der Geschichte der Menschheit. Die Kampagne wurde entworfen und beschlossen mit einem Gesetz, dem National Defense Authorization Act aus dem Jahre 2008, in dem fünf Ziele für diese Aktion formuliert werden. Eines davon beschreibt und feiert die neue Geschichtsschreibung des DOD als „Fortschritte in Technologie, Wissenschaft und Medizin, die auf militärische Forschungen zurückzuführen sind, die während des Vietnamkriegs durchgeführt wurden“.

Die Leiter der VFP-Tour, unter ihnen Suel Jones, Chuck Searcy, Chuck Palazzo und David Clark haben alle im amerikanischen Krieg in Vietnam Dienst getan, und sie alle sind zurückgekehrt und werden seither von ihrem Gewissen verfolgt – und von ihrem Bedürfnis, den vietnamesischen NGOs dabei zu helfen, die die Not der Kriegsopfer zu lindern versuchen. Diese Touren sind ihre einzige Möglichkeit, die Kosten ihrer Hilfstätigkeit zu decken.3

Die USA haben niemals das Versprechen Nixons aus dem Jahre 1973 in Paris eingelöst, die USA würden Vietnam Reparationen in Höhe von 3 Mrd. US-$ zahlen, was heute einer Summe von 16 Mrd. US-$ entsprechen würde. Die schäbig geringe Hilfe, die die USA geleistet haben, war an Bedingungen geknüpft: Es wurden verschiedene „strukturelle Reformen“ gefordert – die jetzt wahrscheinlich mit dem TPP dem Land aufgezwungen werden sollen.

Wir trafen den US-Botschafter Ted Osius, er ist der erste Botschafter nach der „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Vietnam und den USA, der offen die nachhaltigen Folgen von Agent Orange bei den vietnamesischen Opfern anerkennt. Und, dass es Berechnungen gibt, denen zufolge das zwanzigjährige Embargo, das die USA nach dem Krieg über Vietnam verhängt haben, ebenso viel Leid produziert hat wie der Krieg selbst.4

Osius sagte vor den versammelten Aktivisten und der Presse, dass sinnvolle politisch Beziehungen zwischen den USA und Vietnam „sich der Vergangenheit stellen müssen“. Dagegen rühmte er die Vorzüge von TPP: Vietnam könne „riesige Profite machen“ und nicht gewinnbringende „staatliche Institutionen“ würden „eliminiert“ werden. Die Aufforderung, dann doch die Verträge zu veröffentlichen, wenn sie so gut seien, lehnte er diplomatisch ab.

Bei vielen Treffen mit Vertretern der Agent-Orange-Opfer und ihrer Organisation, der VAVA, wurde die chemische Kriegsführung der USA beschrieben und angeklagt, aber, so sagte uns ein VAVA-Offizieller in Da Nang: „Aber unsere gegenwärtige Sorge ist, das Land wieder aufzubauen, es zu entwickeln.“ Angesprochen auf Agent Orange, sagte er: „Wir blättern diese Seite um, aber wir reißen sie nicht heraus.“ Chuck Searcy antwortete darauf: „Aber sollten wir nicht auch die Lektionen der Vergangenheit lernen?“ Und er wollte wissen, warum die vietnamesische Regierung, nach diesen tragischen Erfahrungen mit den Auswirkungen von Agent Orange, Monsanto erlaubt hat, ins Land zurückzukommen, Büros zu eröffnen und sein GMO-Saatgut in Vietnam zu verkaufen. Bei seiner Antwort berief sich der VAVA-Vertreter auf die WTO: „Als wir den Aufnahmeantrag in die WTO unterschrieben, mussten wir die hereinlassen – sie müssen hier sein können.“

Wenn schon die WTO lokale und nationale Gesetze zum Umweltschutz und zur Gesundheitsvorsorge als „unfaire Handelshemmnisse“ aburteilen kann, dann sollten wenigstens Mexikos Erfahrungen mit dem NAFTA-Abkommen5 als Warnung dienen. Die USA überschwemmten nach dem Abkommen Mexiko mit billigem Getreide und natürlich auch mit Monsantos GMO-Saatgut. Dieses Vorgehen machte nicht nur den mexikanischen Getreidemarkt kaputt, es infizierte auch in großem Umfang verschiedene einheimische Getreidesorten.

Und in Kanada wurden, wie Naomi Klein herausgefunden hat, NAFTA und WTO dazu benutzt, die lokale Entwicklung erneuerbarer Energien zu stoppen.

Sogar die wenigen durchgesickerten Zitate aus TPP beweisen bereits, dass dieses Abkommen nicht nur dazu dienen wird, den Profit von Monsanto & Co. zu vergrößern, sondern es wird sie bei allen Aktionen unangreifbar machen.

Nicht nur Agent Orange

Die Folgen der Anwendung von Dioxin sind nirgendwo deutlicher noch heute zu sehen als in der Provinz Quanf Tri, in der von den USA als „demilitarisierte Zone“ bezeichneten Region. Hier befand sich nicht nur einer der 28 „hot spots“ – Orte, an denen das Gift gelagert, umgefüllt und auf die Spezialflugzeuge gebracht wurde. QuanfgTri war auch die am intensivsten besprühte Provinz Vietnams. Unsere erste Begegnung mit den unvorstellbaren Leiden, die dadurch hervorgerufen worden sind, war der Besuch in einer Familie, die von den VFP 160 und ihren Partnern im Projekt „Renew“ unterstützt wird. Vier der fünf Kinder in der Familie sind schwer behindert. Nur das zweitgeborene Kind, dessen Geschwister zwischen 1972 und 1985 zur Welt kamen, blieb verschont. Man hat jedoch in Vietnam jetzt erfahren, dass immer häufiger die Auswirkungen manchmal eine Generation überspringen und erst in der übernächsten wieder auftauchen. Die vier betroffenen Kinder können nicht aufrecht stehen, eine Folge vieler verschiedener medizinischer Probleme. Sie kriechen auf dem Boden herum, auf allen vieren, mit seltsamen Grimassen, die auf geistige Behinderungen deuten, eine häufige Folge von Agent Orange. In dieser Provinz Quang Tri, so erfahren wir, haben 1300 Familien zwischen 3 und 5 Kinder die an den Folgen von Agent Orange leiden.

Aber Agent Orange ist bei weitem nicht die einzige Quelle von Elend in dieser Provinz. Wenn die USA über Vietnam mehr Bomben abwarfen als im Zweiten Weltkrieg sowohl in Europa als auch im Pazifik zusammengenommen abgeworfen wurden, so war Quang Tri die am intensivsten bombardierte Provinz in Vietnam. Die lange Reihe von prothetischen Hilfsmitteln, die man im Quang Tri Mine Action Visitor Center von Renew besichtigen kann, zeugen von der Arbeit dieser Organisation, die für 900 Menschen in dieser Provinz sorgen muss, die Prothesen brauchen, weil sie durch Blindgänger und anderer nicht explodierte Munition verletzt worden sind. Solche Gefahren bestehen immer noch auf 80 % der Fläche der Provinz.

Weitere 1100 Patienten, denen Glieder amputiert werden mussten, warten heute noch auf entsprechende Gehhilfen oder Krücken. An den Wänden des Zentrums hängen Zeichnungen, mit denen die Kinder lernen sollen, Blindgänger zu erkennen, um sie den Behörden zu melden. Im Krieg selbst wurden mehr als 2 Mio. Kämpfer und Zivilisten getötet, aber nach dem Krieg wurden 60.000 Vietnamesen durch Landminen, Clusterbomben6 und andere so genannte „Unexploded Ordnance“ (UXO) getötet, also mehr als die 58.000 gefallenen Gis. Und immer noch sind die USA eines der ganz wenigen Länder, die sich weigern, die UNO-Verträge zum Verbot von Landminen und Clusterbomben zu unterzeichnen.

Später wohnte die Autorin den Zeremonien zur Feier des 40jährigen Jubiläums der Befreiung Saigons bei und einem Empfang beim Vize-Premierminister Nguyen Xuan Phuc im Vereinigungspalast in Ho-Chi-Minh-Stadt. Dort hielt auch Virginia Foot eine Ansprache, Präsidentin der amerikanisch-vietnamsischen Handelskammer und Vorsitzende des Board of the international Center in Washingon, DC. „Als Amerikanerin – und ich denke, ich spreche für alle Amerikaner, die hier anwesend sind“, sagte sie, „bin ich dafür, weiterzuarbeiten für die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes“, und fügte hinzu: „einschließlich der Kriegsprobleme“. Einige Tage zuvor hatte sie das Land Mine Action Center in Hanoi besucht und „neues Geld“ versprochen. Aber: „Gleichzeitig arbeiten wir gemeinsam an einigen sehr strikten Handelsproblemen und hoffen, auch diese bis zum Jahresende zu lösen.“ Sie meinte damit die Verhandlungen über TPP, für das „wir weiter kämpfen müssen.“

Ungefähr zur selben Zeit, am 30. April brachte die Abgeordnete von Kalifornien, Barbara Lee, im Kongress ein Gesetz ein, die Agent Orange Relief Act of 2015 ein. Dieses Gesetz soll Mittel dafür bereitstellen, um die Leiden der Agent Orange Opfer überall in Vietnam zu mildern. Auch die Hilfsmaßnahmen für amerikanische Opfer und ihre Familien sollen erweitert werden.

Während dieser Initiativen, diesen Versuchen, den Agent-Orange-Opfern Hilfe zukommen zu lassen, liefen, und während der weiterlaufenden Verhandlungen über Handelsvereinbarungen, von denen so unausweichlich die Zukunft beider Länder abhängt, haben die angepassten Medien des Landes nur zu gern andauernd das Publikum mit den Fernsehbildern gefüttert von Südvietnamesen, die auf dem Botschaftsdach auf Hubschrauber warten und sich an ihren Landekufen festklammern.

TPP ist ein Freibrief für Konzerne wie Monsanto, die heute ebenso gierig darauf sind, aus dem Elend der vietnamesischen Bauern und der arbeitenden armen Bevölkerung in beiden Ländern Profit zu schlagen, wie sie es damals in den 1960er Jahren waren.

Quelle: Thanh Nien, 11. Mai 2015. Übersetzt und bearbeitet von Günter Giesenfeld.

Desiree Hellegers ist Vorstandsmitglied der Portland Peace and Justic Works (Copwatch) und Professorin für Englisch an der State University of Vancouver. Sie hat Bücher geschrieben, wie z.B.: No Room for Her Own. Women's stories of Homelessness (2011).

veröffentlicht im Vietnam Kurier 1/2015

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