Der APEC-Gipfel in Da Nang

Das 29. Gipfeltreffen gilt in Vietnam als das wichtigste Ereignis des Jahres 2017

Zusammengestellt von Günter Giesenfeld

Es war eine Mammut-Veranstaltung: Die Provinz Quang Nam und die Stadt Da Nang haben vom 06. bis 11. November mehr als 10.000 APEC-Delegierte begrüßen dürfen, und 3.000 Journalisten aus Vietnam und von ausländischen Medien waren in Da Nang dabei, um zu berichten. Der US-amerikanische Präsident reiste mit einem Gefolge von 1.500 Delegierten, Beratern und Presseleuten an.

Geschichte

Die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (Asia-Pacific Economic Cooperation, kurz APEC1), ist eine internationale Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten.

Sie wurde 1989 auf Initiative von Australien, Japan und den USA in Canberra, Australien gegründet. 12 Länder waren Gründungsmitglieder. Es wurde vereinbart, jährlich ein Treffen an wechselnden Orten zu veranstalten. In den ersten Jahren kamen nur hochrangige Ministeriumssprecher zu den Treffen. Seit 1993 finden, rotierend zwischen den Mitgliedern, jährliche Gipfeltreffen der Regierungschefs statt. Seitdem gibt es außerdem parallel dazu die APEC Economic Leaders Meetings, auf denen Vereinbarungen nur im Konsens getroffen werden können.

Auf APEC-Ebene wurden und werden bis heute nicht nur wirtschaftspolitische Themen diskutiert, sondern allgemein politische wie etwa Zukunftstechnologien, Bildung, Frauen, Jugend oder die Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

Das APEC-Sekretariat in Singapur übernimmt lediglich organisatorische Aufgaben. Aufgrund der losen Strukturen und heterogenen Interessen der Mitglieder hat sich die APEC seither eher zu einem thematisch breiten Kommunikationsforum auf höchster Ebene entwickelt und weniger zu einem pazifischen Gipfel, der verbindliche Beschlüsse für gemeinsame Maßnahmen fasst.

1994 wurde in Bogor, Indonesien, das Ziel der Errichtung einer Freihandelszone im asiatisch-pazifischen Raum für die Industrienationen bis 2010 und für die Entwicklungsländer bis 2020 formuliert. Zur Förderung dieses Zieles sollten die Mitgliedsstaaten nationale Aktionspläne erarbeiten. Eine Überprüfung der Ergebnisse findet in Form jährlicher Fortschrittsberichte auf den Gipfeltreffen statt. Aber es handelte sich nicht um eine reine Freihandels-Vereinbarung im klassischen Format wie etwa TPP oder NAFTA2

1997 beschloss man, zehn Jahre lang keine neuen Mitglieder mehr aufzunehmen.3 Dieser Zeitraum sollte der Konsolidierung der Zusammenarbeit dienen. Heute hat APEC 21 Mitglieder. 12 von ihnen sind Staaten des südostasiatischen Raums incl. Japan und China4. Neun sind „nicht-asiatische“ Staaten wie etwa USA, Kanada, Australien, Russland, Chile und Peru.

In diesen APEC-Staaten lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Der Wirtschaftsraum erbringt mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und ist eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen der Welt.

Die APEC agiert – als einzige internationale Organisation – auf der Basis nicht-bindender Abkommen. Alle Entscheidungen des Forums sollen möglichst im Konsens getroffen werden. Seit 2002 sind auch bilaterale oder multilaterale Abkommen untereinander zugelassen. Die Abkommen müssen den Regeln der WTO entsprechen.

Das Budget der APEC ist relativ gering. Es beläuft sich auf knapp 3,5 bis 5 Mio. US-$ pro Jahr, welche durch Mitgliedsbeiträge der APEC-Staaten aufgebracht werden. Diese sind unterschiedlich hoch und unterliegen der Entscheidung der jeweiligen Regierungen. Die APEC unterhält seit 1993 ein kleines Zentralbüro in Singapur.

Die Treffen auf APEC-Ebene sind auch als offene Foren gedacht, weshalb fast immer Gäste und Beobachter eingeladen werden. Dazu gehören Vertreter des Verbandes südostasiatischer Nationen (ASEAN), des Pazifischen Wirtschaftsrates (PECC5), des Pacific Islands Forum (PIF) und anderer Interessenvertreter aus dem öffentlichen und privaten Sektor. Die APEC wird darüber hinaus auch oft als Möglichkeit benutzt, um hinter geschlossenen Türen bestimmte aktuelle Probleme und Fragen direkt zu diskutieren, wie etwa in neuester Zeit das Nordkorea-Problem.

Eine große Rolle spielen bei allen Diskussionen die auf dem Treffen in Bogor (Indonesien) beschlossenen „Ziele von Bogor“. Ihre Realisierung soll Voraussetzungen dafür schaffen, eine Freizone für Handel und Investitionen in der APEC-Region einzurichten. Dieses Ziel ist zur Richtlinie für die Zusammenarbeit in der APEC bis 2020 geworden und wird diese Region zur führenden Freizone für Handel und Investitionen in der Welt machen.

Laut einem Bericht über das Tempo bei der Umsetzung der Bogor-Ziele von APEC aus dem Jahr 2016 sind die Liberalisierung, Investition und Markt-Öffnung sogar schon weiter fortgeschritten, als ursprünglich erhofft. Damit ist APEC zu einer der dynamischsten Regionen in der Welt geworden und hat einen wichtigen Beitrag

zum Wohlstand sowie zur Armutsbekämpfung geleistet. Dazu sagt der Direktor des vietnamesischen APEC-Forschungszentrums Tran Viet Thai:

„Zahlreiche Handelsbarrieren wurden abgebaut, zahlreiche Kriterien wurden zusammengelegt und verbessert. Viele Programme zur technischen Kooperation wurden aufgebaut, damit sich die APEC-Länder besser integrieren und kooperieren können und die Unternehmen enger miteinander verbunden werden.“

In den vergangenen 20 Jahren wurden bis zu 152 Freihandelsabkommen und Handelsabkommen innerhalb der APEC umgesetzt. APEC ist zu einem Standort für Initiativen zur Integration und Entwicklung geworden. APEC ist ein Wirtschaftsforum. Aber darüber hinaus haben die Staats- und Regierungschefs der APEC-Länder durch Dialoge im Rahmen des Forums viele Beiträge zur Gewährleistung der Sicherheit geleistet und einen gemeinsamen Wohlstand in der Region angestrebt. Die hohe Position und das Ansehen der heutigen APEC ist zum Teil den Bogor-Zielen zu verdanken.“6

Die Bogor-Ziele stehen unausgesprochen seit Jahren in einem gewissen Gegensatz zu einer Politik, die im internationalen Rahmen seither immer mehr an Gewicht gewinnt: dem Protektionismus. „Integration“, „Gleichberechtigung“ „Zusammenarbeit ohne Diskriminierung“, all diese Begriffe tauchen in allen Statements und Diskussionen immer wieder auf und sind keine Schlagworte, denn sie richten sich indirekt gegen diese Tendenz. Aber man scheint die offene Auseinandersetzung um den Protektionismus zu scheuen, in der Angst, das aufgebaute Vertrauen in der Zusammenarbeit vor allem mit den großen westlichen Wirtschaftsmächten aufs Spiel zu setzen. Mit dem Amtsantritt von Donald Trump könnte diese sorgfältige Diplomatie in Gefahr geraten. Ein weiteres Moment, das neue internationale Machtstrukturen mit dem Auftreten Chinas als inzwischen zweite große Weltmacht bringen könnte, kann derzeit noch nicht in seiner Bedeutung für die Zukunft von APEC eingeschätzt werden. Deshalb war beim Treffen 2017 das Auftreten der Repräsentanten der beiden Weltmächte Xi Jinping und Donald Trump ein wichtiges Event.

Die angedeuteten impliziten Meinungsverschiedenheiten werden auf den Treffen seit einiger Zeit in den Diskussionen um zwei Prinzipien der APEC sozusagen stellvertretend immer wieder ausgetragen: bei den Diskussionen um den Multilateralismus und um das Prinzip des offenen Regionalismus.

Multilateralismus

Da es sich bei der APEC und den mit und in ihr angestrebten Zielen stets um ein multilaterales Vorgehen handelte, trat und tritt es automatisch als Alternative zu den sonst üblichen bilateralen Verhandlungen und Verträgen auf. Wie wir wissen, hatte China bis vor kurzem jegliche regionale Vereinbarung strikt abgelehnt, Verhandlungen nur zugestimmt, wenn sie bilateral waren und man sich darauf verlassen konnte, einem wesentlich schwächeren Gegner allein gegenüberzustehen. Dies galt vor allem für den Inselstreit im südchinesischen oder Ostmeer und wurde von der Regierung in Beijing auch konsequent praktiziert. Man verhandelte nicht mit den ASEAN-Staaten als Bündnis, sondern mit einzelnen Regierungen – wie in diesem Fall Laos und Kambodscha, um zu verhindern, dass der Staatenbund eine Resolution gegen das Vorgehen im Ostmeer ratifizieren konnte. Das Kalkül ging auf, weil ASEAN nur einstimmige Beschlüsse fasst, weshalb es 2017 keine solche Resolution mehr gab.7

Die APEC gibt sich bei dieser Frage doppelt liberal, sie verzichtet auf die Einstimmigkeit und erlaubt ihren Mitgliedern auch bilaterale Freihandelsabkommen. Trotzdem ist die Bilateralität das bestimmende Ziel. Aber: „Wie andere multilaterale Organisationen auch, wird auch die APEC heute von der neuen Bilateralismus-Welle massiv gefährdet.“8

In einer umfassenden Studie hat sich das Max Planck-Institut für Gesellschaftsforschung mit der Dynamik der wichtigsten Handelsgruppierungen auf der Welt befasst und festgestellt:

„Der markanteste Prozess ist der Anstieg des Anteils der APEC-Länder am Welthandel in den letzten zwei Jahrzehnten. Nur in den Jahren 1985–1992 entwickelte sich in der EU eine ähnliche Dynamik. Der Kurvenverlauf für die NAFTA-Länder zeigt aber deutlich, dass die Aufwärtsrichtung der APEC-Kurve nicht durch die Entwicklungen in Nordamerika bestimmt wurde. [...]

Die APEC-Entwicklung entspricht weitgehend der Kurve unserer hypothetischen Gruppierung Ostasien. Diese wiederum wird bis in die 80er-Jahre vorwiegend bestimmt durch die Länder Nord­ostasiens; in den 90er-Jahren wächst der Anteil der ASEAN-Länder am Exporterfolg der Region, während derjenige Japans zurückgeht.

Nicht zu vergessen ist, dass die Welt-Gesamtexporte in diesem Zeitraum jährlich um durchschnittlich 10% wuchsen, dass also auch ein Halten des Anteils am Welthandel eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung voraussetzt.“

Der Aufstieg Ostasiens hat also, nach dieser Erhebung, den Welthandel in den Jahren 1970-2000 geprägt. Und – so wird abschließend ausgeführt:

„Bezüglich APEC kann gesagt werden, dass ihre Gründung 1989 mit dem Höhepunkt der transpazifischen Integration – im Verhältnis zur nordamerikanischen – zusammenfiel. Seither hat der asiatisch-pazifische Raum aber für die Wirtschaften Nordamerikas stetig an relativer Bedeutung verloren. APEC war also eher Folge denn Ursache der transpazifischen Handelsintensivierung. Es überrascht wenig, dass die gegenwärtige US-Regierung stärker an einer Ausweitung des Freihandels in Richtung Lateinamerika (Free Trade Area of the Americas, FTAA) interessiert ist als an einer APEC-Revitalisierung.

Das 21. Jahrhundert wird kein „pazifisches Jahrhundert“ werden, zumindest nicht in dem von der APEC-Apologeten Anfang der 90er-Jahre verbreiteten Sinne. Aber die Dialektik von Weltmarktkonkurrenz, internationalem Regimeaufbau und kompetitiver Regionalisierung wird weiterwirken. Das FTAA-Projekt, bilaterale Freihandelsabkommen zwischen Staaten des ostasiatischen und des pazifischen Raumes, die Integration Chinas und Taiwans in die WTO – und die Reaktion der ASEAN-Staaten darauf, die Osterweiterung der EU und die Bemühungen um eine neue Welthandelsrunde strukturieren die Arena für die „nächste Runde“ kompetitiver Regionalisierung.“9

Offener Regionalismus

In den 1980er und 1990er Jahren kam dieser Terminus auf und prägte die APEC-Diskussionen.10 Er bedeutete das Entfernen von Barrieren zugunsten einer regionalen Kooperation ohne Diskriminierung Außenstehender. Dieser Begriff der „Nicht-Diskriminierung“ hat historische Gründe: „In den frühen Ideen über die asiatisch-pazifische Zusammenarbeit gab es eine Konfusion durch den Irrglauben, dass wir so etwas ähnliches wie einen pazifischen Handelsblock anstreben könnten oder sollten. Diese Idee war und ist nicht praktikabel, weil sie nicht die Diversität in der Entwicklung der regionalen Wirtschaften beachtete.“, so der australische Premierminister Bob Hawke auf dem ersten APEC-Treffen in Canberra 1989.11 Dabei entstand die Orientierung, die von da an in allen programmatischen Papieren auftauchte: Ziel sollte ein multilaterales Handelssystem sein.

Später wurde „Offener Regionalismus“ zu einem Gegenbegriff zu den konventionellen Ideen von FTA12. Noch bis zur Mitte der 1990er Jahre verlief die Praxis von APEC nach dem ursprünglichen Prinzip des offenen Regionalismus. Aber von Anfang hatte es schon Unbehagen in Nordamerika über dieses Konzept gegeben. Insofern war nie ganz sicher, ob etwa die USA das Konzept des offenen Regionalismus mittragen würden, wenn es zum Streit käme.

Wohl unter dem Einfluss dieser Meinungsverschiedenheit verlor der Begriff seine scharfe Definition allmählich und bezeichnete nur noch so gut wie jede Form von Zusammenarbeit zwischen APEC-Mitgliedern, fast synonym mit FTA. Dies ist nicht nur Zeichen eines weniger stringenten Wortgebrauchs, sondern auch Indiz für eine Verwässerung einer ursprünglich von allen geteilten Idee. die zu ernsthaften Brüchen in den asiatisch-pazifischen und auch in den globalen Handelssystemen führen könnte.

Um dieser Gefahr zu entgehen, spricht man jetzt mit Bezug auf die verschiedenen Freihandelszonen im asiatisch-pazifischen Raum auch von einer großen Freihandelszone: FTAAP13. Aber dies ist eine risikoreiche Entwicklung „Geschichte kann man nicht zurückdrehen und von Neuem beginnen. Die Entwicklung der Handelsbeziehungen in den letzten sechs oder sieben Jahren hat es verhindert, dass in der nahen Zukunft die alten Absichten einer asiatisch-pafizischen oder west-pazifischen Zusammenarbeit ohne die Diskriminierung Außenstehender wieder eingeführt werden könnten. Aber vielleicht können einige der früheren Einsichten in der asiatisch-pazifischen Diskussion bei dem Bemühen eine Rolle spielen, jetzt auftretende Fehler im Handelssystem zu korrigieren.“14

Beim Treffen in Bogor wurden die so genannten „Bogor-Ziele“ auch deshalb einstimmig verabschiedet, weil eine formelle Definition eines Offenen Regionalismus nicht mehr zugrunde gelegt wurde. So konnten Politiker und Analytiker mit ziemlich verschiedenen Sichtweisen auf diesen Begriff zu einer Einigung kommen. Dieses Fehlen von Klarheit und Genauigkeit in der Begrifflichkeit sollte sich später als ein Hemmnis bei dem Versuch einer Liberalisierung des Handels erweisen, denn die Partner, so drückt es Garnaut aus, „lagen in einem Bett, hatten aber verschiedene Träume“15

Trotzdem hatten die Bogor-Ziele bei fast allen APEC-Mitglieder zu enthusiastischen Anstrengungen beim Aufbau eines freien Handels im Innern geführt. Dann aber kam ein Rückschlag. Die Liberalisierung stockte. Über die Gründe sind sich die Kommentatoren nicht einig. Garnaut denkt, dass es an der Kombination einer zweideutigen Festlegung auf den offenen Regionalismus bei einige Regierungen und der Schwäche bei der Reaktion auf äußere Schocks lag. Für Fred Bergsten16 sind inhärente Schwachstellen des Konzepts eines Offenen Regionalismus die Gründe, wenn man nämlich ihn als Basis einer Konzeption für eine nachhaltige Handelsliberalisierung nimmt.

Die alte Konzeption des Offenen Regionalismus ist in der pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit immer noch präsent. Da hat APEC eine produktive Funktion bei der Organisierung von Unterstützung für ein multilaterales Handelssystem und für günstige Ergebnisse bei multilateralen Verhandlungen. Schließlich und endlich wird das Engagement von APEC für die Bogor-Ziele eines freien und offenen Handels in der Region davon abhängen, ob es diese Funktion erfolgreich ausübt.

„Frühe Erfolge bei multilateralen Liberalisierungen im West-Pazifik werden in einer neuen Ära, die davon bestimmt ist, dass protektionistische Doktrinen Wurzeln schlagen und der Ruf nach Reziprozität immer lauter ertönt, nicht einfach wiederholt werden können.“17

Ja, die Bogor-Ziele sind noch immer präsent in der Region. Sie werden respektvoll zitiert, und man hat den Eindruck, dass viele in der Region ihnen nachtrauern würden, wenn sie spurlos verschwänden. Vielleicht kann von daher eine Neuorientierung auf die multilaterale Liberalisierung angestrebt werden.

Da Nang 2017: Das Duell

Die Präsidenten der USA und Chinas traten auf dem asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgipfel direkt hintereinander auf: ein absolutes Kontrastprogramm. Trump verkündete seine vielzitierte Spielideologie: Jeder ist sich selbst der Nächste. Xi will dagegen den Multilateralismus stärken.

In der Sache war die Rede Trumps der Ausdruck eines radikalen Kurswechsel der amerikanischen Politik in Asien und im Pazifikraum. Er lehnte gemeinsame Handelsbündnisse mit verschiedenen Partnern strikt ab. Den Diebstahl von geistigem Eigentum und andere unfaire Praktiken würden die USA nicht länger hinnehmen. Zugleich empfahl er auch allen anderen Nationen, ihr Heil auf eigene Faust zu suchen. 

Dieser Kurswechsel war von Trump zuvor bereits eingeleitet worden: Er hatte kurz nach seinem Amtsantritt das nach jahrelangen Verhandlungen abgeschlossene Freihandelsabkommen TPP gekündigt. Die verbleibenden elf Vertragspartner wollen gleichwohl ohne die USA gemeinsam weitergehen.

Trumps Rede stand in starkem Kontrast zu einem Auftritt von Chinas Präsident Xi Jinping. Xi warb vor den insgesamt 21 Apec-Mitgliedern für ein „globales Netzwerk aus Freihandelszonen“. Von Chinas Wachstum sollten auch andere Länder profitieren. Seine Rede wurde, anders als die von Trump, immer wieder von Applaus unterbrochen.18

Für die meisten Pazifik-Anrainerstaaten waren die USA lange Jahre das große, starke Gegengewicht zu China gewesen. Hier, beim APEC-Gipfel, deutete sich eine Umkehrung der Orientierung an. Wenn der chinesische Präsident von der Globalisierung spricht, so erscheint diese nicht mehr als die große unberechenbare Gefahr, sondern als eine neue schöne Vision. In seiner Rede beim APEC-Gipfel sagte er, die Globalisierung sei ein „unumkehrbarer historischer Trend“. Allerdings müsse der Freihandel „offener, ausgewogener, gerechter und nützlicher für alle“ werden.19 Trumps Interpretation, sein Land werde von der ganzen Welt ausgebeutet, womit auch China mit gemeint war, ist dem chinesischen Präsidenten nicht einmal eine Erwähnung wert. Auch Trumps Behauptung, die USA wollten in jedem Fall in der Region fest engagiert bleiben, traf bei der APEC auf skeptische Distanz – zu offensichtlich war der Widerspruch zu den neuen Akzenten seiner Außenpolitik, die sich seit seiner Amtsübernahme eher noch im Sinne einer Abschottung radikalisiert haben.

Sinn habe der Widerspruch eigentlich für Trump nur innenpolitisch: „Er handelt mit Peking Schaufensterdeals aus, die er daheim prima verkaufen kann. Dafür aber lässt er den aufstrebenden Giganten seine Wege ziehen. Xi dürfte sein Glück kaum fassen können.“20

Und der dritte im Bunde? Putin, der russische Präsident, spielte kaum eine Rolle in Da Nang. Trump hatte ihn schon vor seiner Ankunft gedemütigt, indem er ein Treffen (das gar nicht vereinbart war) im Flugzeug bei der Anreise absagte: er habe dafür leider keine Zeit.

Die westliche Sicht

Im asiatisch-pazifischen Raum hat APEC 2017 erneut gezeigt, wie sehr die Staaten in der Region im Prinzip die Ziele von Bogor und die Funktion von APEC als Forum für politische Probleme schätzen, und auch die Kommentare aus Vietnam sind, im Ganzen gesehen, positiv bis euphorisch. Von westlicher, besser europäischer Seite kommen eher gemischte bis skeptisch Kommentare. Stellvertretend für diese sei ein Bericht der Deutschen Welle hier ausführlich referiert21, denn er fußt fast ausschließlich auf Äußerungen von Daniel Müller, der für den Ostasiatischen Verein (OAV) spricht, eine 1900 gegründete Unternehmensvereinigung und Lobbyingplattform der deutschen Industrie und Geschäftswelt, die „heute deutschlandweit als Vertretung von Industrie und Dienstleistungen ebenso wie des Handels“ arbeitet, so die Website des Vereins.22

In dem Beitrag wird als Einleitung an die Widerstände erinnert, die sich in Europa gegen etwa das TTIP gerichtet hatten, und festgestellt: die ehrgeizigen Ziele Vietnams (Eintreten für Freihandel und Stärkung der APEC) hätten keine Chance, denn der Zeitgeist sei gegen Vietnam.

„Insgesamt muss man sagen, dass der Multilaterale Freihandel in einer tiefen Krise steckt“, erklärt Daniel Müller. Die APEC sei zwar noch nicht die wichtigste Organisation in der asiatisch-pazifischen Region und habe deshalb auch nicht die Möglichkeit, den Freihandel eigenständig zu fördern, aber sie sei ein wichtiges Forum zur politischen und wirtschaftlichen Koordination, in der es einen großen Mangel an einflussreichen und konfliktmindernden Institutionen gebe. Und es wird ein Mitarbeiter des Leibniz-Institut für globale und regionale Studien23, Que Anh Dang zitiert, der das Bemühen der APEC, in zwei Stufen eine Freihandelszone im Pazifik einzurichten, für gescheitert erklärt.

Die selbst erklärte Offenheit der APEC für alle möglichen Vereinbarungen ihrer Mitgliedsländer sei der Grund für das Scheitern, denn „nicht zuletzt hat die Nicht-verbindliche Natur der APEC zugelassen, dass sich überschneidende und teilweise widersprüchliche Wirtschafts- und Handelsvereinbarungen innerhalb des APEC-Raums etabliert haben“. Alle dies habe zu einer Identitäts- und Glaubwürdigkeitskrise der APEC geführt, so Que Anh Dang.

Und Daniel Müller vom OAV sei allerdings skeptisch, ob eine Stärkung der APEC ausreichen könne, die Herausforderungen zu meistern. Denn umfassender Freihandel lasse sich in der Regel nur organisieren, „wenn eine Führungsmacht vorausgeht und die anderen mit Druck oder Anreizen dazu bewegt, mit­zumachen“.

Denn die USA seien immer weniger bereit, diese Führungsrolle zu übernehmen, und Europa könne die Lücken nicht schließen. Und „bei China habe ich Zweifel, ob sie das überhaupt wollen“, so Müller. Er habe Zweifel, ob Vietnam in seiner Gastgeberrolle die angestrebte „liberale Handelsordnung“ und die APEC werde stärken können. Fehlende Kapazitäten und der Zeitgeist, der kritisch gegenüber offenen Märkten sei, stünden dem entgegen.

„Zeitgeist“?

Dieser angesprochene Zeitgeist scheint sich auf die Protestbewegungen gegen Freihandelsabkommen in der westlichen Öffentlichkeit zu beziehen. Aber dieser Protest richtete sich in den letzten beiden Dekaden, wenn man darüber nachdenkt, ja wohl vor allem gegen die Führungsrolle der USA, in deren Interesse die jeweiligen Abkommen vor allem lagen. Es wurde angezweifelt, ob man angesichts dieser Führungsrolle der USA bei TPP, TIPP oder NAFTA überhaupt von einem „freien Handel“ sprechen könne. Was Trump an TIPP und NAFTA kritisiert, sie würden „America first“ verhindern, war, weniger polternd ausgedrückt, auch die leitende Idee der früheren US-Administrationen bei den Verhandlungen zu den erwähnten Abkommen. Sie wollten dabei vor allem die US-Interessen sichern, wenn auch hauptsächlich durch geheim ausgehandelte Regeln und Institutionen, die sich vor allem gegen die Interessen der anderen Teilnehmer richteten.

Die Darstellung des OAV stellt also einen Zusammenhang her, der so nicht korrekt ist. Die europäischen Proteste richteten sich nämlich eigentlich gegen das, was der OAV als Voraussetzung für jedes Freihandelsabkommen nennt, die Führungsrolle einer an wirtschaftlichem Gewicht allen anderen überlegenen Macht, die die Beziehungen nach eigenen Interessen organisiert.

Ein Hinweis in der Darlegung der Position des OAV ist wichtig: Fast erleichtert stellt Daniel Müller fest, dass „der multilaterale Freihandel in einer tiefen Krise“ stecke. Und es fällt ebenfalls auf, dass bei der Charakteristik der Positionen Vietnams und der APEC-Mitglieder dieser zentrale Begriff fehlt: Multilateralismus. Die westliche Bedeutung des Begriffs „Freihandel“ unterscheidet sich da prinzipiell von der „asiatischen“ – so soll sie jetzt einmal vorläufig bezeichnet werden. Den Unterschied kann man anhand der Frage formulieren: Handel: frei wofür? Nach westlicher (unausgesprochener) Sprachregelung heißt das: frei für den Konkurrenzkampf, nach östlicher (demonstrativ stets wiederholter) Auffassung: frei für die Zusammenarbeit.

Natürlich ist das eine stark vereinfachte Entgegensetzung, und es kann durchaus sein, dass sich die Interessen, selbst wenn es sich um asiatisch-pazifische Partner handelt, in dem einen oder anderen Abkommen auch der westlichen Interpretation annähern. Es erscheint aus dieser Erkenntnis klug von APEC, dass sie selbst nie eine asiatische oder regionale Freihandelszone als globales Abkommen anstrebt, sondern den einzelnen Mitgliedern durch die intensiven Beratungen eher zu der Erkenntnis verhelfen will, dass das asiatische Modell für sie am besten ist. APEC ersetzt also in diesem Zukunftskonzept die Führungsrolle einer Großmacht24 und könnte insofern tatsächlich ein multilaterales politisches Bündnis werden, das sich eher als Clearingstelle ohne eigenen Macht- oder Lenkungsanspruch versteht. Eine Utopie?

Anmerkungen:
1 auch übersetzt als Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation oder Asien-Pazifik-Forum
2 North American Free Trade Agreement, 1994 gegründeter Wirtschaftsverband zwischen Kanada, den USA und Mexiko zur Bildung einer Freihandelszone im nordamerikanischen Kontinent
3 Damals hatte APEC 18 Mitglieder.
4 Die VR China und Taiwan sind beide Mitglieder. Taiwan tritt allerdings unter dem Namen „Chinese Taipei“ auf und wird nicht vom Staatspräsidenten repräsentiert.
5 Pacific Economic Cooperation Council
6 Zitate in Voice of Vietnam, 9.11.2017.
7 Vgl. VNK 3-4/2016, S. 27ff.
8 Patrick Ziltener: Pazifische Drift – Die APEC zwischen Bi- und Multilateralismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/2004 S. 1465–1974.
9 Patrick Ziltener: Ostasiatische oder pazifische Handelsdynamik? Eine Analyse von UNCTAD-Handelsdaten 1970-2000. Working Paper, Max Planck-Institut für Gesellschaftsforschung 02/9, Juli 2001.
10 Er tauchte zum ersten Mal schon 1968 auf, und zwar als allgemeiner Terminus zur Beschreibung des expandierenden Handels in den Nachkriegsjahrzehnten.
11 Zit. nach: Ross Garnaut (Australian National University): A New Open Regionalism in the Asia Pacific, Paper presented at the International Conference on World Economy, Colima (Mexico) 25. November 2004, S. 6. Einige der hier genannten Fakten entnehme ich dieser Quelle im Internet: https://blogs.unimelb.edu.au/rossgarnaut/files/ 2016/01/A-New-Open-Regionalism-in-the-Asia-Pacific-2004-opk8t8.pdf
12 Free Trade Associations
13 Free Trade Agreement of the Asia Pacific
14 Vgl. Garnaut a.a.O. S. 3
15 ebda, S. 8
16 C. Fred Bergsten: Open Regionalism, in: The World Economy, Band. 20,5, Nottingham, August 1997. Bergsten ist Direktor des Institute for International Economics. Er ist Vorsitzender der APEC Eminent Persons Group.
17 ebda, S. 30f.
18 Bericht von ntv und dpa vom 10.11.2017. Internet: https://www.n-tv.de/politik/Trump-und-Xi-stellen-Asien-vor-die-Wahl-article20126827.html
19 in ZDF heute, 10.11.2017
20 ebda.
21 Deutsche Welle http://www.dw.com/de/vietnam-apec-gipfel-und-freihandel/a-41275866
22 https://www.oav.de/ueber-uns/geschichte.html
23 Auch GIGA German Institute of Global and Area Studies genannt, ist ein unabhängiges, sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut mit Sitz in Hamburg. Es analysiert politische, ökonomische und soziale Entwicklungen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Nahost. Auf Basis dieser Forschung berät das GIGA EntscheidungsträgerInnen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist mit einem Büro in Berlin präsent. Das GIGA hat rund 160 MitarbeiterInnen. Es gehört der Leibniz-Gemeinschaft an und wird finanziert vom Auswärtigen Amt, der Hamburger Wissenschaftsbehörde und den anderen Bundesländern.
24 Fördernd für eine solche Rolle könnte sein, dass China sie offenbar seit neuestem nicht mehr spielen will. Sein Konzept der „neuen Seidenstraße“ sieht keine Freihandelsabkommen vor.

veröffentlicht im Vietnam Kurier 3-4/2017

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