Dioxin hot spots in Vietnam

Die Vergiftung ist kein historisches Problem

L. Wayne Dwernychuk (Hatfield Group)

Während des Vietnamkonflikts haben die US-Streitkräfte eine größere Menge von Entlaubungsmitteln in Vietnam versprüht als ursprünglich angenommen. Die Vietnamesen sind ihnen bei den Entlaubungsaktionen direkt ausgesetzt gewesen, und man schätzt, daß sie außerdem in den letzten 30 Jahren durch den Kontakt mit ehemaligen Militärbasen mit dem Gift kontaminiert worden sind. Insofern sind die Menschen in Vietnam noch bis heute diesem direkten Kontakt mit allen seinen Folgen ausgesetzt; dies ist also kein historisches Problem. Die nunmehr (2003) korrigierten Schätzungen des Volumens der Entlaubungsmittel erhöhen die Menge des 2,3,7,8-Tetrachlorodibezo-p-Dioxins (TCDD), die in Vietnam ausgesprüht wurde, auf weit über die ~170 kg, die seit Ende des Krieges angenommen worden waren.

Stellmann u.a. 2003 ziehen die Ergebnisse der "Hatfield Hot SpotThese" heran, die durch Feldversuche im Tal von A Luoi in Zentralvietnam belegt worden ist. Was von der Hatfield-Studie als "Hot Spots" bezeichnet wurde, sind Orte, deren Böden sehr hohe TCDD Kontaminationen aufweisen, weil sie im Krieg schon sehr viel höherer Belastung durch TCDD ausgesetzt waren. Eine wichtige Besonderheit der Hatfieldschen hot spots ist es, daß sie nicht durch Routineflüge der Aktion Ranch Hand (Codename für das Sprühprogramm der US-Army) vergiftet wurden.

In unfruchtbaren Regionen des A Luoi-Tals, die einstmals von dreistockigem Dschungel bedeckt waren (dichter Bodenbewuchs, Buschdickicht und Baumdächer) und dann schwer von Flugzeugen aus mit Agent Orange besprüht worden sind, weisen die Böden keine sehr hohen Konzentrationen von TCDD auf, was durch einem jahrelangen tropischen Regenfall, Bodenerosion und chemischer Zersetzung verursacht ist. Die Naturkräfte haben das TCDD teilweise an solchen Stellen abgebaut, wo es von Flugzeugen aus bei geplanten Sprühaktionen ausgebracht worden war. Hot spots, die es noch heute gibt, bestehen da, wo das Agent Orange verschüttet worden ist, mit Tanklastwagen ausgebracht wurde zum Beispiel in der Umgebung von Militärbasen usw. Dabei gerieten Mengen des Giftes in die Böden, die bedeutend höher waren als bei den Sprühungen aus der Luft. Die höchste Konzentration von TCDD in Böden überhaupt wurde innerhalb des Gebietes einer ehemaligen USMilitärbasis der USspecial forces im Tal von A Luoi gemessen. Die Bodenproben stammten von dem ehemaligen Truppenlagerstandort. Zwei andere ehemalige Basen in demselben Tal, die eine kürzere Zeit lang benutzt wurden, wiesen auch TCDD-Konzentrationen auf, die allgemein höher waren als die in den "normalen" Sprühgebieten. Dies legt den starken Verdacht nahe, daß jeder einzelne US-Soldat, der in einer solchen Basis in Südvietnam stationiert war, wo Agent Orange benutzt wurde, auch dem Dioxin ausgesetzt gewesen sein dürfte.

Ranch Hand Basen in Bien Hoa und Da Nang sind ebenfalls wichtige hot spots. Die gemessene TCDD-Konzentration im Boden von Bien Hoa betrug 1,2 Millionen Teile pro Milliarden (ppt). Einzelne Messungen von vietnamesischen Wissenschaftlern legen nahe, daß die Konzentrationen bei Da Nang mehrere Hunderttausend ppt betragen. In typischen städtischen Gebieten in den USA ist sie weniger als 10 ppt.

Stellmann u.a. lokalisieren mögliche hot spots durch die geographische Verteilung der Mengen von versprühten Entlaubungsmitteln über Vietnam. Diese hot spots gab es vermutlich in der Zeit, in der die Aktionen stattfanden und beziehen sich vor allem auf die betroffenen US-Truppen bei Manövern in besonderen Gebieten während der Ranch Hand Operationen. Die von Stellmann u. a. beschriebenen Volumen-Konfigurationen sind relevant eher für historische Mengenbeschreibung als für die Konzentrationen, die noch heute anzutreffen sind.

Wichtige Nebenerkenntnisse der Konfigurationsstudien von Stellmann u. a. sind ihre Aussagen und Schätzungen zu den immer intensiveren Entlaubungsmitteln, die nicht zu den Herbizidmengen gezählt werden, die von der Republik Südvietnam, der US-Army und US-Navy versprüht wurden, etwa die 400.000 l agent pink, die nicht mitgezählt worden sind, und die Möglichkeit, daß bei 200 Sprühaktionen nicht Agent Orange, sondern agent pink zum Einsatz kam. Wenn man bedenkt, daß agent pink eine höhere Konzentration von TCDD aufweist als orange, dürfte die wahre Dosis TCDD, die der vietnamesischen Umwelt zugefügt wurde, höher sein als vermutet auf der Basis der erst kürzlich entdeckten Dokumente. In welchem Ausmaß diese nicht katalogisierten Mengen auch die Gesundheit von US-Veteranen gefährdet haben und weiterhin die von Vietnamesen gefährden bleibt unbekannt.

Die Hatfield hot spots (das heißt die ehemaligen Militärinstallationen der USA) müssen der wichtigste Gesichtspunkt sein, wenn man daran geht, Orte auszuwählen, die gesäubert werden müssen, um durch ihre Beseitigung die Gefahr der Vergiftung von vielleicht Hunderten und Tausenden von Vietnamesen abzuwenden. Dieses Vorgehen ist besonders da angemessen, wo frühere US-Basen aufgegeben worden sind und von Einheimischen übernommen wurden, um dort Dörfer und Orte erhöhter menschlicher Aktivitäten einzurichten. Säuberungsaktionen müssen auch dort vorgenommen werden, wo die Topographie der Umgebung von früheren US-Basen so beschaffen ist, daß aus dem kontaminierten Gebiet Wasser abfließt hin zu Regionen, die derzeit zum Anbau von Lebensmitteln durch Einheimische genutzt werden. Diese Szenarien sind aber am wichtigsten da, wo eine frühere Basis weiterhin als öffentlicher oder militärischer Flugplatz genutzt wird. Solche kontaminierten Areale sind logischerweise bevorzugte Gegenstände epidemiologischer Bemühungen und besonderer Investitionen im Gesundheitsbereich bis hin zu angemessenen medizinischen Maßnahmen.

Die neuen Informationen über den Einsatz von Herbiziden im Vietnamkonflikt durch das US-Militär sollten die Bemühungen um die Gesundheit von US-Veteranen und Vietnamesen verstärken, die immer noch mit den Konsequenzen des TCDD in ihrem täglichen Leben zu kämpfen haben, und das wahrscheinlich noch viele Jahre in der Zukunft.

Dieser Text ist die Kurzfassung einer längeren Studie (siehe das Literaturverzeichnis),
erschienen in
Chemosphere, 60, 2005, S. 998-999. Übersetzung Günter Giesenfeld

Literatur:

Dwernychuk, L.W., Cau, H.D., Hatfield, CT., Boivin, T.G., Hung, T.M., Dung, P.T., Thai, N.D., 2002. Dioxin reservoirs in southern Viet Nam-A legacy of agent orange. Chemosphere 47, 117. (Die sogenannte Hatfield-Studie)

IOM (Institute of Medicine), 2001. Veterans and Agent Orange: Update 2000. National Academy Press, Washington, DC, p. 604.

Nestrick, T.J., Lamparski, L.L., Frawley, N.N., Hummel, R.A., Kocher, C.W., Mahle, N.H, McCoy, J.W, Miller, D.L., Peters, T.L., Pillepich, J.L., Smith, W.E., Tobey, S.W., 1986. Perspectives of a large scale environmental survey for chlorinated dioxins: Overviews and soil data. Chemosphere 15,1453.

Scheeler, A., Cao, D.L., Papke, O., Prange, J., Constable, J.D., Matsuda, M., Duc, T.V, Piskac, A.L., 2001. Recent dioxin contamination from agent orange in residents of a southern vietnam city. J. Occup. Environ. Med. 43, 435.

Stellman, J.M., Stellman, S.D., Christian, R, Weber, T., Tomasallo, C., 2003. The extent and patterns of usage of Agent Orange and other herbicides in Vietnam. Nature 422, 681. (= Stellmann u.a. 2003)

veröffentlicht im Vietnam Kurier 1/2007

Der englische Originaltext ist verfügbar

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